Inklusive der nicht offiziell Gemeldeten und derjenigen, die lediglich im sonnigen Süden überwintern, leben derzeit geschätzt eine halbe Million Deutsche in Spanien. Dazu kommen jedes Jahr Millionen von deutschen Urlaubern. Sie alle fühlen sich im sonnigen Süden wohl und sind im großen Ganzen bei den Spaniern auch beliebt. Das bedeutet jedoch nicht, dass es mitunter aufgrund von Mentalitätsunterschieden und typischen Eigenheiten nicht gelegentlich zu Missverständnissen kommt. Auch innerhalb der EU bleiben wir immer zunächst Gast im anderen Land.
Verhalten Deutscher in Spanien: Beliebt oder unbeliebt?
Kennen wir die wichtigsten spanischen Umgangsregeln, gelingt es uns schneller uns dort einzuleben. Außerdem zeigen wir so dem Gastland den ihm zustehenden Respekt. Natürlich gibt es auch unter Spaniern Vorurteile uns gegenüber (leider nicht immer ganz zu Unrecht), wie das Bild des Mallorca-Touristen, der sich schon morgens mit einem Handtuch seine Sonnenliege reserviert und kübelweise Sangria in sich hineinschüttet. Das entspricht jedoch glücklicherweise nicht der Regel. Und mit etwas Knowhow über Spanien und dem nötigen Fingerspitzengefühl lässt sich jedem Vorurteil leicht entgegenwirken.
Die richtige Kleidung am richtigen Ort
Spanier legen Wert auf passende Kleidung und kämen in der Regel nie auf die Idee, mit Shorts, Sandalen und Unterhemd ein Lokal aufzusuchen oder einen Stadtbummel zu unternehmen, geschweige denn eine Kirche besichtigen zu wollen. Unglücklicherweise hat sich bei vielen Deutschen noch nicht herumgesprochen, wie unangenehm unangebrachte Kleidung bei den Einheimischen auffällt. Es gibt zwar keine offiziellen spanischen Dresscode, aber die Regel lautet: Badekleidung gehört an den Strand und in einer Kirche sollte möglichst wenig nackte Haut gezeigt werden.
Sportbekleidung tragen Spanier normalerweise nur in zu ihren jeweiligen Freizeitbetätigungen. Von einem Ausländer wird bei privaten Treffen niemand eine bestimmte Kleidung erwarten, aber mit langen Hosen und geputzten Schuhen als Mann sowie als Frau mit angemessener Tageskleidung sind Deutsche überall willkommen.
Die spanische Begrüßung und Anrede
Das deutsche Händeschütteln ist den Spaniern eher fremd. Besonders von Männern gegenüber Frauen. Zur Begrüßung bei einem offiziellen Geschäftstermin wird die Hand kurz gereicht (nicht geschüttelt!), ansonsten geht es weniger förmlich zu. Ein angedeutetes Küsschen links und rechts (dabei ist es sinnvoll, auf die Kopfbewegung des Gegenübers zu achten, um nicht zusammenzustoßen) oder eine kurze Umarmung ist die angemessene Begrüßung im privaten Bereich. Die Anrede „Sie“ (usted) ist in Spanien dem ersten Kennenlernen im Geschäftsleben oder auch (z. B. kirchlichen) Würdenträgern gegenüber vorbehalten.
Auf der Straße oder im Privatleben wird schnell geduzt und dies sollte nicht als Zeichen mangelnden Respekts verstanden werden. Das „Usted“ stellt in Spanien einen gewissen Abstand her und der ist bei gegenseitiger Sympathie nicht erwünscht.
Deutsche Korrektheit
Deutsche erscheinen den Spaniern oft etwas förmlich und steif. Mitunter ziehen sie daraus den (falschen) Rückschluss mangelnder Herzlichkeit. Die Kehrseite der Steifheit ist der gute Ruf der Deutschen, korrekt und ehrlich zu sein. Ein Bonus, den sie gegenüber den Spaniern haben, die sich untereinander nicht unbedingt vertrauen. Weniger geschätzt wird die Direktheit ungeschönt vieles an- und auszusprechen, was die Spanier eher umschreiben oder wenn möglich nicht erwähnen. Diese Direktheit wirkt auf Spanier taktlos.
Ebenfalls wird den Deutschen ein Mangel an Flexibilität und insbesondere beim Finden von Lösungen mangelnde Kreativität nachgesagt. Leider gelten wir in Spanien auch als humorlos und sogar langweilig, weil wir im Vergleich zu Einheimischen zu wenig Temperament an den Tag legen.
Verhalten Deutscher in Spanien: Ins Gespräch kommen
Vor allem außerhalb von Touristenorten ist es sinnvoll, ein paar Brocken Spanisch zu beherrschen. Kein Spanier erwartet perfektes Spanisch, aber der Versuch ist immer ein Türöffner. Gerade in ländlichen Gebieten sollte niemand erwarten, dass die Bevölkerung deutsch spricht oder englisch. Wer das spanische Umland erkundet ist gut beraten, mindestens einen kleinen Sprachführer zu Hand zu haben. Das spanische Temperament zeigt sich auch in der Gesprächsführung. Jemand ins Wort zu fallen, ist ein Zeichen von Interesse am Gespräch und gilt bei Spaniern nicht als unhöflich. Auch das gehört zum Umgang, Spanier flirten gern. Dem sollte man nicht ablehnend gegenüberstehen, aber auch nicht allzu viel Bedeutung beimessen.
Einladungen und andere Verabredungen
Die deutsche Pünktlichkeit ist den Spaniern zumindest bei privaten Terminen fremd. In Spanien gilt als pünktlich, wer eine viertel bis halbe Stunde später als ausgemacht erscheint. Mit zu großer Pünktlichkeit können wir unsere spanischen Gastgeber schnell in Verlegenheit bringen. Einladungen nach Hause werden seltener als in Deutschland ausgesprochen. Spanier treffen sich lieber im Lokal. Gern gesehen ist ein kleines Gastgeschenk. Bei einem privaten Essen vielleicht ein Nachtisch aus der Bäckerei oder auch Blumen. Doch Achtung, Chrysanthemen sind als Friedhofsblumen verpönt. Ein verpacktes Geschenk wird in Spanien sofort ausgepackt, damit der Schenkende die Freude darüber miterlebt.
Daran sollten wir als Deutsche uns auch im umgekehrten Fall halten. Trifft man sich nur locker miteinander im Lokal, ist die deutsche Sitte einzeln zu bezahlen eher unbeliebt. Die Spanier legen lieber alle zusammen oder zahlen abwechselnd die gesamte Rechnung. Beliebte Gesprächsthemen und eine große Gemeinsamkeit sind die Begeisterung für Fußball, das Familienleben oder Kunst jeder Art.
Wie sich Deutsche in Spanien nicht verhalten sollten: Kontroverse Themen und beliebte Fettnäpfchen
Mit einem kontroversen Gespräch über Stierkampf, Politik (die ETA oder regionale Separatismusbestrebungen oder die Franco-Diktatur) oder Religion macht man sich bei den spanischen Gastgebern schnell unbeliebt, sofern sie unsere Ansichten nicht teilen. Begeistert sind sie nicht unbedingt über die (aus ihrer Sicht) deutsche Vorliebe fürs Nacktbaden. Deswegen wird dringend empfohlen, dies nur an dafür ausgewiesenen Stränden zu tun. Wenn auch in den Städten die Einstellung zu vielen Themen immer liberaler und moderner wird, ist in ländlichen Regionen Spaniens der Einfluss von Kirche und Tradition noch deutlich spürbar.